Klassische Verkaufsmessen sind auch im digitalen Zeitalter für Unternehmen noch eine gängige Möglichkeit ihre Produkte zu verkaufen. Messen können aber auch als reine Informationsmessen gestaltet sein, auf denen Unternehmen lediglich über ihr Unternehmen und die Waren und Dienstleistungen informieren. Und letztendlich gibt es noch die Mischform in Form einer Verkaufs- und Informationsmesse. Je nach Art der Messe, müssen Unternehmen Verbraucher am Messestand über ein etwaiges Widerrufsrecht belehren oder nicht.
von Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
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Hintergrund
Seit 2014 haben Verbraucher auch bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht, über das Unternehmen belehren müssen. Neben dem klassischen Fernabsatz besteht somit auch bei Geschäften, bei denen sich Verbraucher und Unternehmer persönlich gegenüberstehen ein Widerrufrecht, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wird.
Problematisch waren in der Praxis diesem Zusammenhang Geschäfte zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher an Messeständen. Unterliegen die dort geschlossenen Verträge dem Widerrufsrecht – ja oder nein?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH Az. C-485/17) hatte zu diesen Konstellationen im Jahr 2018 eine mehr oder weniger präzise Entscheidung getroffen. Der EuGH hatte sehr allgemein entschieden, dass es für die Frage nach dem Widerrufsrecht maßgeblich darauf ankomme, wie der Messestand nach außen in Erscheinung trete, das heißt welchen Eindruck der Messestand bei einem Durchschnittsverbraucher erweckt. Diese Entscheidung hat in der Praxis für viel Unverständnis gesorgt, da die Entscheidung alles andere als präzise ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH Az. VIII ZR 82/17) hat mit Urteil vom 10.04.2019 für klassische Verkaufsmessen nunmehr eine konkretere Entscheidung getroffen.
Was ist passiert?
Ein Unternehmen vertrieb gewerblich Einbauküchen und war auch auf der „Messe Rosenheim“ vertreten. Die Messe findet alle zwei Jahre statt. Am 20.04.2015 schloss das Unternehmen mit einem Verbraucher am Messestand des Unternehmens einen Kaufvertrag über eine bestimmte Einbauküche ab. Der Kaufpreis betrug insgesamt fast 10.600 Euro. Das Unternehmen hatte dem Verbraucher keine Widerrufsbelehrung ausgehändigt. Noch am selben Tag (20.04.2015) erklärte der Verbraucher den Widerruf.
Die Entscheidung
Der BGH (Az. VIII ZR 82/17) hat in letzter Instanz entschieden, dass dem Verbraucher im vorliegenden Fall einer klassischen Verkaufsmesse kein Widerrufsrecht zustehe und er deshalb den Kaufvertrag nicht wirksam widerrufen konnte.
Zwar stehe gemäß § 312g Abs. 1 BGB einem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Vorliegend sei die Einbauküche jedoch nicht außerhalb von Geschäftsräumen gekauft worden. Der BGH begründet dies damit, dass nach § 312b Abs. 2 S. 1 BGB auch bewegliche Gewerberäume als Geschäftsräume angesehen werden können, wenn und soweit der Unternehmer seine Verkaufstätigkeit dort für gewöhnlich ausübe.
Der Begriff „Raum“ sei im Sinne der Vorschrift nicht rein physikalisch zu verstehen, sondern könne vielmehr auch Messestände umfassen.
Der Begriff „gewöhnlich“ sei wiederrum europarechtskonform dahingehend zu verstehen, dass hierdurch eine Überrumpelung des Verbrauchers vermieden werden solle. Es ist somit danach zu fragen: Musste der Verbraucher mit Angeboten auf einen Vertragsschluss rechnen oder nicht? Zur Beantwortung der Frage sei auf den Zweck der Messe und auf das konkrete Angebot des Unternehmens abzustellen.
Auf den vorliegenden Fall der „Messe Rosenheim“ übertragen heißt das, dass eine solche Überrumpelungssituation hier nicht anzunehmen sei. Die „Messe Rosenheim“ sei eine klassische Verkaufsmesse, auf der Verbraucher gerade auch mit Angeboten auf Vertragsabschlüsse rechnen müssen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass einzelne Aussteller auf der Messe lediglich Informationsstände unterhielten, da diese Einzelfälle den Gesamtcharakter der Messe als Verkaufsmesse nicht tangierten.
Das gleiche gelte schlussendlich auch für das Kaufangebot des Unternehmers. Auch diesem Angebot konnte der BGH keinen Überrumpelungseffekt entnehmen. Die „Messe Rosenheim“ biete ein vielfältiges Spektrum an Waren und Dienstleistungen an, sodass Besucher/ Verbaucher auch mit Angeboten zum Kauf einer Einbauküche rechnen konnten.
Fazit
Als Faustformel kann man sich für den Verkauf auf Messen merken, dass Verbrauchern bei klassischen Verkaufsmessen grundsätzlich keine Widerrufsbelehrung zu erteilen ist. Das gilt auch für gemischte Verkaufs- und Informationsmessen, wenn der Verkaufszweck der Messe im Vordergrund steht und Besucher mit Angeboten zu Vertragsabschlüssen rechnen müssen. Die Produktangebote dürfen in diesem Fall aber auch nicht atypisch für die Messe sein (Stichwort: Überrumpelung).
Anders ist dies beim Verkauf auf reinen Informationsmessen zu bewerten. Hier sind Kaufangebote in der Regel als für den Verbraucher überraschend anzusehen, sodass eine Widerrufsbelehrung zu erteilen ist. Wie so oft kommt es aber stets auf den Einzelfall an.
Bei Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Anna Rehfeldt, LL.M.
Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte