Preisanpassungs- und Stoffpreisgleitklauseln

Lieferengpässe und Lieferausfälle sowie erhebliche Preissteigerungen, sowohl beim Material als auch bei den Löhnen, haben die Unternehmen in den letzten Monaten stark beschäftigt und ein Ende ist aktuell nicht in Sicht. Für Unternehmen stellt sich in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage: Kann ich die Preissteigerungen ganz oder teilweise an meine Kunden und Auftraggeber weitergeben oder wie kann ich mich absichern? Als Antwort hierauf werden Preisanpassungs- und Stoffpreisgleitklauseln immer wieder diskutiert. Zu Recht?

 

von Anna Rehfeldt, LL.M.

Rechtanwältin und externe Datenschutzbeauftragte


Hintergrund

 

Branchenübergreifend mussten sich Unternehmen in den letzten Monaten mit Lieferengpässen und Lieferausfällen sowie mit erheblichen Preissteigerungen auseinandersetzen. Bekommt man irgendwo noch Material, ist dies meist nur zu exorbitanten Preisen möglich. Komplettiert wird diese prekäre Situation durch die immer weiter steigenden Energie- und Spritpreise.

 

Um dennoch wirtschaftlich am Markt tätig bleiben zu können, können Unternehmen diese Steigerungen nicht allein tragen.

 

Im Zusammenhang mit den Materialpreisen stellt sich für Unternehmen, insbesondere aus dem Baugewerbe die Frage: Kann ich die Preissteigerungen, auch in laufenden Verträgen, ganz oder teilweise an meine Kunden beziehungsweise Auftraggeber weitergeben? Können mir (zukünftig) Preisanpassungs- und Stoffpreisgleitklauseln helfen, solchen Situationen vorzubeugen?

 

Preisanpassungs- und Stoffpreisgleitklauseln in der Praxis

 

Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln sind keine neue Reaktion auf die Preissteigerungen der letzten Monate und sind in der Praxis schon länger vorzufinden.

 

Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln sind, ganz allgemein gefasst, Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die es dem Unternehmer als „Verwender“ der AGB ermöglichen sollen, die durch Preissteigerungen entstehenden Mehrkosten an den privaten Auftraggeber/ Kunden zumindest zu einem gewissen prozentualen Anteil weitergeben zu können.

 

Achtung: Für öffentliche Auftraggeber gelten gesonderte Regelungen, die es zu beachten gilt.

 

Um Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln nutzen zu können, müssen diese

  1. wirksam in den Vertrag einbezogen worden und
  2. außerdem auch inhaltlich wirksam sein, das heißt insbesondere nicht gegen AGB-rechtliche Bestimmungen verstoßen.

 

In der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof (BGH) für die inhaltliche Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln besondere Anforderungen aufgestellt. In dem Urteil ging es zwar insbesondere um Gaslieferungsverträge. Die Anforderungen lassen sich aber gleichwohl auch auf andere Konstellationen übertragen.

 

Beispiel: Das Landgericht Berlin hatte beispielsweise in seinem „Netflix-Urteil“ die Aktualität der Anforderungen des BGH an die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln bestätigt.

 

Gemäß den Vorgaben des BGH müssen Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllen, um wirksam sein zu können:

 

  1.  Die Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln dürfen nicht nur Kostensteigerungen weitergeben, sondern müssen in gleichem Maß auch Kostensenkungen berücksichtigen. Das dient dazu, dass Kunden bzw. Auftraggeber nicht unangemessen benachteiligt werden (AGB-Kontrolle);
  2. Es muss objektiv nachprüfbar sein, welche Kostenfaktoren einschlägig sind, also welche Kostenfaktoren unter die Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln fallen.
    Das heißt auf der anderen Seite, dass Kostenfaktoren, die dem internen unternehmerischen Betriebsablauf zuzuordnen sind, mangels objektiver Nachprüfbarkeit keine geeigneten Faktoren darstellen, auf die sich die Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln stützen können.

    Beispiel: Zu solchen internen, unternehmerischen Kostenfaktoren gehören zum Beispiel arbeitsvertragliche Lohnkosten, Transport- und Lagerkosten oder Betriebshaltungskosten etc.

 

Achtung: Bei der Verwendung von Preisanpassungs- oder Stoffpreisgleitklauseln in Verträgen mit öffentlichen Auftraggebern sind die für diese Verträge geltenden besonderen Bestimmungen zu beachten. Hier ist insbesondere zu prüfen, ob für die betroffenen Materialien und Rohstoffe überhaupt eine Preisanpassungsklausel oder Stoffpreisgleitklausel vereinbart werden kann. Dies richtet sich nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu Stoffpreisgleitklauseln, die in der Regel jährlich aktualisiert werden.

 

Neben den oben benannten AGB-rechtlichen Vorgaben muss außerdem noch das Verhältnis zwischen dem unter die Preisanpassungsklausel oder Stoffpreisgleitklausel fallenden Rohstoff und der geschätzten Auftragssumme berechnet werden.

 

Praxistipp: Als Leitlinie kann man sich hier merken, dass das Verhältnis mindestens 1% betragen sollte. Das heißt, alles was über 1% liegt, kann unter eine Preisanpassungsklausel oder Stoffpreisgleitklausel fallen.

 

Entscheiden sich Unternehmen nun für die Aufnahme von Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln in ihren (zukünftigen) Verträgen, sollten sie die Formulierung genau prüfen (lassen). Denn die genauen Anforderungen an Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln müssen in jedem Einzelfall bestimmt und umgesetzt werden. Hierbei muss unter anderem beachtet werden:

  1. Handelt es sich bei dem Kunden um einen Verbraucher oder Unternehmer?
  2. Ist der Vertragspartner ein öffentlicher Auftraggeber?
  3. Welche sonstigen branchen- und länderspezifischen Vorgaben müssen sonst noch beachtet werden?

 

Achtung: Unternehmen sollten nicht ungeprüft Muster, Vorlagen oder sonstige Formulierungen aus dem Internet kopieren. Diese Muster sind häufig fehlerhaft und nicht auf das eigene Unternehmen zugeschnitten, was die Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln im Ergebnis unwirksam machen können.

 

Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln auch für Altverträge?

 

Wollen Unternehmen Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln nachträglich in Altverträge beziehungsweise in laufende Verträge nachträglich einbeziehen, wird dies schwierig bis unmöglich.

 

Zu beachten ist zunächst, dass die vorgenannten Vorgaben nur für Neuverträge gelten.

 

Sollten in Altverträgen keine (wirksamen) Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln enthalten sein, können Unternehmen diese Verträge nachträglich grundsätzlich nicht einseitig ändern bzw. um solche Preisanpassungsklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln ergänzen.

 

In diesen Fällen muss eine einvernehmliche Lösung (z.B. Änderungsvereinbarung) mit dem Auftraggeber gefunden werden.

 

Unter Umständen kann auch eine Anpassung über § 313 BGB in Betracht kommen. Dies muss aber in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden.

 

 

Anna Rehfeldt, LL.M.

Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte


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