Neues Gewährleistungsrecht 2022 – Teil 1

Seit dem 01. Januar 2022 gelten neue Regelungen im Gewährleistungsrecht. Hiervon sind primär Unternehmen betroffen, die an Verbraucher verkaufen (B2C), insbesondere dann, wenn es sich hierbei um Digitale Produkte oder um Waren mit digitalen Elementen handelt. Betroffen von der Schuldrechtmodernisierung 2.0 sind zudem aber auch Unternehmen, die im stationären Handel (digitale) Waren verkaufen sowie Hersteller und Lieferanten, die unter Umständen von ihren Händlern in Regress genommen werden.

 

von Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte

Anna Rehfeldt, LL.M.


Hintergrund

Die neuen gesetzlichen Regelungen zum Gewährleistungsrecht betreffen insbesondere Unternehmen, Start Ups und Hersteller bzw. Lieferanten, die Digitale Produkte oder Waren mit digitalen Elementen an Endkunden, das heißt an Verbraucher verkaufen.

 

Achtung: Das neue Gewährleistungsrecht gilt sowohl online als auch offline und umfasst auch die Regressansprüche des Händlers gegenüber dem Hersteller bzw. dem Lieferanten!

 

Ab wann gilt das neue Gewährleistungsrecht?

Die wesentlichen Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind am 01. Januar 2022 in Kraft getreten.

 

Für den Großteil der Verträge, die vor dem 01. Januar 2022 abgeschlossen wurden, gilt das alte Recht weiter. Für Verträge, die ab dem 01. Januar 2022 geschlossen werden, greifen hingegen die Regelungen zum neuen Gewährleistungsrecht!

 

Achtung: Im Einzelfall können andere Geltungsbereiche greifen.

 

Was sind Digitale Produkte und was bedeutet die neu eingeführte Aktualisierungspflicht?

Digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen wurden durch den Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform 2.0 neu eingeführt. Zudem wurde eine sogenannte Aktualisierungspflicht (oder auch Updatepflicht) durch das neue Gewährleistungsrecht ins Gesetz aufgenommen.

 

Folgende (nicht abschließende) Beispiele können unter Digitale Produkte oder unter Waren mit digitalen Elementen verstanden werden:

 

1.      Smart Watches/ Fitnesstracker

2.      Smartphones + Tablets

3.      E-Bikes

4.      Pkw mit Navigationssystemen, intelligenten Steuerungssystemen etc.

5.      Smart-Home Produkte

6.      …

 

Welche Neuregelungen umfasst das neue Gewährleistungsrecht?

Komplett neu ist die Einführung einer Aktualisierungs- bzw. einer Update-Pflicht für Verkäufer. Durch die Aktualisierungspflicht soll sichergestellt werden, dass die digitalen Produkte bzw. die digitalen Elemente auch dann noch funktionsfähig sind, wenn sich das digitale Umfeld verändert.

Darüber hinaus soll die Aktualisierungspflicht dazu beitragen, dass die IT-Sicherheit durch Sicherheitsupdates & Co. gewährleistet wird.

 

Achtung: Die Aktualisierungspflicht trifft in erster Linie den Verkäufer der Digitalen Produkte bzw. der Waren mit digitalen Elementen + der Verkäufer muss den Endkunden (= Verbraucher) hierüber auch nachweislich informieren.

 

Praxistipp: Die Aktualisierungspflicht bedeutet hingegen nicht, dass Verkäufer dem Verbraucher stets eine verbesserte Version zur Verfügung stellen müssen. Es geht hierbei lediglich um die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der erworbenen Digitalen Produkte bzw. der Waren mit digitalen Elementen.

 

Achtung: Informiert der Verkäufer den Verbraucher nicht über die Aktualisierung und/ oder unterlässt der Verkäufer ein (Sicherheits-) Update, liegt i.d.R. ein Sachmangel vor und die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers greifen.

 

Wie lange greift die Aktualisierungspflicht?

Eine fixe Dauer für die Aktualisierungspflicht wurde im Gesetz nicht bestimmt. Es kommt hierbei unter anderem auf die Erwartungen des Verbrauchers sowie auf die Art des Vertrages und des Digitalen Produkts bzw. der Ware mit digitalen Elementen sowie auf die sonstigen Umstände des Einzelfalls an. Die Dauer kann also von Vertrag zu Vertrag variieren.

 

Wie können Unternehmen in der Praxis aber (grob) einschätzen wie lange die Aktualisierungspflicht dauert? Folgende (nicht abschließende) Anhaltspunkte können sein:

 

1.      Preis

2.      Werbeaussagen

3.      Qualität der Materialien

4.      Bisherige Erfahrungswerte zur üblichen Nutzungsdauer (sogenannter Life-Cycle)

 

Achtung: In der Praxis können oftmals nicht die Verkäufer die Aktualisierungen vornehmen, sondern die Hersteller. In diesen Fällen können Verkäufer im Regelfall bei Hersteller die Aktualisierung anfordern und Regress für die Aufwendungen verlangen. Hier kommt es auf den Einzelfall an.

 

Praxistipp: Unternehmen, die Digitale Produkte oder Waren mit digitalen Elementen verkaufen, sollten beim Einkauf mit dem Hersteller eine entsprechende Aktualisierungspflicht durch den Hersteller vertraglich vereinbaren. Idealerweise wird hierbei zugleich auch eine Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher durch den Hersteller vereinbart. Bei Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

 

Änderungen bei der Beweislastumkehr

Durch das neue Gewährleistungsrecht wurden die Bestimmungen zur Beweislastumkehr verschärft. Das heißt, wird ein Mangel innerhalb von nunmehr 12 (!) Monaten sichtbar, wird (widerleglich) vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang auf den Verbraucher vorlag. Der Unternehmer muss im Streitfall also die Mangelfreiheit darlegen und beweisen. Bisher galt eine Vermutung für die ersten 6 Monate ab Gefahrübergang.

 

Neuer Mangelbegriff

Eine weitere wesentliche Erweiterung des neuen Gewährleistungsrechts wurde durch die Einführung eines neuen Mangelbegriffs für Digitale Produkte und für Waren mit digitalen Elementen vorgenommen.

 

Nach wie vor wird zwar grundsätzlich auch weiterhin zwischen der vereinbarten Beschaffenheit (= subjektive Anforderungen) und der gewöhnlichen Verwendung (= objektive Anforderungen) unterteilt.

Dies erfolgt jetzt aber nicht mehr in einem Stufenverhältnis, sondern kumulativ. Das heißt, es müssen sowohl die subjektiven als auch die objektiven Anforderungen „kumulativ“ vorliegen, um von einer Mangelfreiheit auszugehen. Nach altem Recht genügte in der Regel für die Mangelfreiheit bspw., dass die subjektiven Anforderungen (= vereinbarte Beschaffenheit) vorlagen, ohne dass es dann noch auf die objektiven Anforderungen ankam. Das gilt nun so nicht mehr.

 

Achtung: Zusätzlich zu den subjektiven und objektiven Anforderungen müssen für die Mangelfreiheit nun auch noch die Montage- oder Installationsanforderungen im Einzelfall erfüllt sein.

 

Praxistipp: Im Einzelfall können/ sollten vertraglich abweichende Vereinbarungen mit dem Verbraucherkunden getroffen werden. Hier sind aber die strengen Verbraucherschutzvorschriften stets zu beachten. Bei Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

 

Im Teil 2 geht es weiter mit den Änderungen zum neuen Gewährleistungsrecht!

 

Anna Rehfeldt, LL.M.

Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte