Rezepturen, Herstellungsverfahren, Konstruktionspläne, Strategiekonzepte, Marketing- und Verkaufsmethoden – Die Liste mit geheimhaltungsbedürftigen Informationen kann noch endlos fortgesetzt werden. Gemein haben alle diese Inhalte jedoch, dass sie für das Unternehmen einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen und vor dem geplanten Launch oder Verkaufsstart nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Neben den zivil- und wettbewerbsrechtlichen Regelungen können Unternehmen seit 2019 auch Schutz nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz genießen, vorausgesetzt sie werden aktiv.
von Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte
Anna Rehfeldt, LL.M.
Hintergrund
Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) ist 2019 mit seinen Neuregelungen in Kraft getreten und hat die zuvor unübersichtliche Rechtslage in einem Gesetz vereint. Schutz konnte vor dem Inkrafttreten des GeschGehG über die zivilrechtlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG und/ oder über die strafrechtlichen Bestimmungen im Strafgesetzbuch (StGB) begehrt werden.
Merke: Das GeschGehG dient dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung und gilt neben den weiteren zivil- und strafrechtlichen Ansprüchen.
Um Schutz nach dem GeschGehG zu genießen müssen Unternehmen folgende Voraussetzungen erfüllen:
-
Es muss eine Information vorliegen, die einen gewissen wirtschaftlichen Wert hat (=
Geschäftsgeheimnis)
-
der Unternehmer (= rechtmäßiger Inhaber der Information) muss aktiv angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
ergriffen haben und
- es muss ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung bestehen.
Praxistipp: Anders als vor dem Inkrafttreten des GeschGehG reicht der subjektive Geheimhaltungswille nicht mehr aus, um Schutz zu genießen. Unternehmen müssen seit 2019 vielmehr aktiv (und nachweislich) angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergreifen.
Zu der Frage, was denn „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ (Voraussetzung Nr. 2) nach dem GeschGehG sind, gab es in der Praxis bislang unterschiedliche Ansichten und entsprechende Unsicherheiten. Reichen vertragliche Vereinbarungen aus oder genügt allein ein tatsächlicher Schutz, etwa durch technische oder physische Maßnahmen?
Praxistipp: Eine Checkliste für eine Geheimhaltungsvereinbarung/ NDA steht zum Gratisdownload unter dem Beitrag zur Verfügung.
Was genau unter „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ zu verstehen ist, hat das Oberlandesgericht Hamm (Az. 4 U 177/19) zu befassen.
Die Entscheidung
Das Gericht hatte sich zunächst damit auseinanderzusetzen, wie man „angemessen“ objektiv bestimmen kann. Demnach gelte kein absoluter Maßstab. Vielmehr müsse eine relative, dynamische Auslegung erfolgen, je nach den Umständen des Einzelfalls.
Will man nun die „Angemessenheit“ der Geheimhaltungsmaßnahme bestimmen, müsse man auf die Sichtweise eines objektiv und verständigen Betrachters abstellen, wobei dieser aus dem jeweiligen (Fach-) Kreis komme und üblicherweise mit dieser Art der Informationen händele.
Das Gericht geht schließlich darauf ein, dass bei der rechtlichen Bewertung der Angemessenheit auf unterschiedliche Bewertungskriterien abzustellen sei. Diese lauten u.a. wie folgt:
-
Wirtschaftlicher Wert und Art des Geschäftsgeheimnisses
-
Verhältnis von Kosten für die Geheimhaltungsmaßnahme und wirtschaftlicher Wert des
Geheimnisses muss in einem vernünftigen Maß stehen
Achtung: Es gibt hierbei kein festes „Kosten-Wert-Verhältnis“. Das Verhältnis ist jedoch grundsätzlich dann als unangemessen einzustufen, wenn die Kosten für die Geheimhaltungsmaßnahmen den wirtschaftlichen Wert des Geschäftsgeheimnisses übersteigen.
-
Unternehmensgröße und Leistungsfähigkeit (Großunternehmen sind intensivere Schutzmaßnahmen abzuverlangen als Kleinunternehmen, Start
Ups oder Soloselbstständigen)
-
Branche/ Unternehmensgegenstand (branchenübliche Standards stellen in der Regel zugleich auch einen Anhaltspunkt für die
Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahme dar)
- Sonstiges: Grad des Wettbewerbsvorteils aufgrund der Geheimhaltung, Schwierigkeiten der Geheimhaltung, konkrete Gefahrenlage (…)
Keine Rechtsverfolgung = keine aktiven Geheimhaltungsmaßnahmen
In dem Fall vor dem OLG Hamm hatte sich das Unternehmen über Jahre hinweg nicht aktiv gegen mögliche Verstöße gegen die Geheimhaltung gewehrt, obwohl die Verstöße für das Unternehmen ersichtlich waren. Das Gericht legte die Untätigkeit dahingehend aus, dass das Unternehmen keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen habe. Dies gelten insbesondere auch deshalb, weil das Unternehmen noch nicht einmal Maßnahmen ergriffen habe, um den Sachverhalt und die Übermittlung der Informationen aufzuklären und geheimhaltungsbedürftige Zeichnungen zum Teil sogar frei zugänglich waren.
Das Gericht (a.a.O.) führt insoweit aus: „Aus der Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus den Fachkreisen der Parteien ist es aber zwingend erforderlich, in Anbetracht der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses jedem Hinweis auf eine Umgehung von (angeblichen) Geschäftsgeheimnissen sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zeitnah anzupassen oder Sanktionen zu ergreifen. (…)“
Fazit
Der Schutz nach dem GeschGehG besteht neben den zivil- und strafrechtlichen Regelungen. Und auch wenn sich die Voraussetzungen einigermaßen komplex und undurchsichtig anhören, können sie im Unternehmen leicht ein- und umgesetzt werden. So kann etwa auch auf bestehende datenschutzrechtliche Schutzmaßnahmen zurückgegriffen werden und Synergien genutzt werden.
Die konkrete Geheimhaltungsmaßnahme ist (a) von der Art des Geschäftsgeheimnisses und (b) von der jeweiligen tatsächlichen Nutzung abhängig.
Als Geheimhaltungsmaßnahmen kommen vertragliche Vereinbarungen und/ oder tatsächliche Schutzmaßnahmen in Betracht (z.B. physische Zugangsbeschränkungen, technische Hürden etc.).
Die Angemessenheit hängt wiederum davon ab, welchen Wert dem Geschäftsgeheimnis beigemessen wird, welche Entwicklungskosten entstanden sind, die Bedeutung der Information für das Unternehmen, die Kennzeichnung der Informationen (z.B. Vermerk als „streng vertraulich“) oder auch den Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern und Geschäftspartnern.
Auf jeden Fall sollten Unternehmen aktiv werden und angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergreifen, wollen sie Ansprüche wie Schadensersatz, Beseitigung und Unterlassung, Herausgabe und Rückruf, Vernichtung, Auskunft geltend machen. Zudem darf man nicht unterschätzen, dass es sich bei Verstößen gegen das GeschGehG auch um Straftaten handeln kann.
Weiterer Artikel zu dem Thema Geschäftsgeheimnis:
"Geschäftsgeheimnisse - Warum auch Start Up`s aktiv werden sollten + Checkliste NDA"
In meinem Podcast „Illegal – Unternehmerfragen auf den Punkt“ habe ich diese Problematik in Folge 15 besprochen. Reinhören lohnt sich. Zum Podcast hier klicken.
Die Checkliste NDA steht zum Gratisdownload unter dem Beitrag zur Verfügung.
Anna Rehfeldt, LL.M.
Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte