Gesamtpreis und Grundpreis müssen nicht (mehr) in unmittelbarer Nähe zueinander stehen!

Die Vorgaben aus der Preisangabenverordnung (PAngV) stellen Unternehmer immer wieder vor große Herausforderungen, nicht zuletzt auch deshalb, weil Verstöße in der Praxis ein beliebter Grund für eine Abmahnung sind. Eine Vorgabe der PAngV ist, dass der Grundpreis, etwa in einem Onlineshop oder der Werbung, in „unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis stehen muss. Diese Vorgabe hat das Oberlandesgericht Hamburg nun für europarechtwidrig und nicht (mehr) anwendbar eingestuft. Was heißt das jetzt für die praktischen Umsetzung?

 

von Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte

Anna Rehfeldt, LL.M.


Was ist passiert?

Ein Onlinehändler hatte über eine Handelsplattform („Google-Shopping“) Lebens- sowie Nahrungsergänzungsmittel zum Verkauf angeboten. Für sämtliche Produkte bestand die Pflicht nach der PAngV, den jeweiligen Grundpreis anzugeben. Das heißt, es musste nicht nur der Gesamtpreis, sondern zusätzlich auch der Preis je Mengeneinheit (Preis/ Kg oder Preis/ Liter etc.) angegeben werden (vgl. § 2 Abs. 1 PAngV).

 

Achtung: Die Pflicht zur Grundpreisangabe besteht in einem Onlineshop, auf anderen Verkaufsplattformen oder im stationären Handel immer dann, wenn Produkte nach Gewicht, Fläche, Länge oder Volumen zu einem festen Preis zum Verkauf beworben und/ oder angeboten werden. Die Pflicht zur Grundpreisangabe entfällt jedoch dann, wenn der Grundpreis mit dem Gesamtpreis identisch ist, § 2 Abs. 1 S. 3 PAngV.

 

Ein Verband zur Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler war der Ansicht, dass in den Angeboten des Onlinehändlers auf der Handelsplattform „Google-Shopping“ die Produkte hinsichtlich der Grundpreisangabe nicht den gesetzlichen Regelungen entsprechend ausgewiesen wurden und ging gegen den Onlinehändler vor. Nach Ansicht des Verbandes fehle insbesondere die „unmittelbare Nähe" von Gesamt- und Grundpreis, so wie es die PAngV vorschreiben.

 

Die Entscheidung

In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg den Onlinehändler dazu verpflichtet, es zu unterlassen, mit Preisen zu werben, wenn der Preis pro Mengeneinheit (= Grundpreis) nicht zugleich klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe), unmissverständlich und gut lesbar zum Gesamtpreis angeführt werde. Hiergegen ging der Onlinehändler in Berufung.

 

Lesetipp: Weitere Informationen zur Preisangabenverordnung sind in meinem Beitrag „Der Preis ist heiß: Die Werbung nach der Preisangabenverordnung!hier nachzulesen.

 

Das Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 25.6.2020, Az.: 3 U 184/19) hat demgegenüber entschieden, dass der Grundpreis nicht (mehr) in „unmittelbarer Nähe" zum Gesamtpreis stehen müsse.

 

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass Unternehmer (z.B. Onlinehändler) nach § 2 Abs. 1 PAngV zwar dazu verpflichtet seien den Grundpreis (= Preis je Mengeneinheit) in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzuführen.

 

Allerdings müsse diese Vorgabe aus der PAngV europarechtkonform ausgelegt werden. Denn die einschlägige EU-Richtlinie, namentlich Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 98/6/EG, verlange nur, dass der Gesamtpreis und der Grundpreis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ sein müssen. Die „unmittelbare Nähe", so wie es die PAngV verlangt, fehle hingegen in der EU-Richtlinie.

 

Da der nationale Gesetzgeber zudem auch nicht berechtigt sei, strengere Anforderungen als in der EU-Richtline vorgegeben festzulegen, handele es sich um eine nicht gerechtfertigte überschießende Umsetzung, was die Nichtanwendbarkeit dieser überschießenden Regelung zur Folge habe.

 

Es reiche demnach aus, dass sowohl Gesamt- als auch Grundpreis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ angegeben werden. Eine „unmittelbare Nähe“ sei hingegen nicht (mehr) erforderlich.

 

Achtung: In Einzelfällen kann es dennoch erforderlich sein, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzugeben, etwa dann, wenn ansonsten der Grundpreis nicht aus dem Angebot klar hervorgeht.

 

Praxistipp: Auch das Landgerichts Hamburg (Az. 406 HKO 106/19) und das Landgericht Oldenburg (Az. Az. 15 O 494/19) vertreten die gleiche Rechtsauffassung wie das OLG Hamburg im vorliegenden Fall.

 

Fazit

Nach den Entscheidungen sowohl des OLG Hamburgs als auch des Landgerichts Hamburgs und des Landgerichts Oldenburgs muss der Grundpreis in einem Onlineshop, auf sonstigen Verkaufsplattformen oder im stationären Handel sowie in der Printwerbung und dergleichen nicht (mehr) in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden. Es reiche aus, wenn der Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar sowie gut lesbar ausgewiesen wird.

 

Achtung: Die Entscheidungen bedeuten nicht, dass der Grundpreis an irgendeiner Stelle platziert werden kann. Es sollte vielmehr darauf geachtet werden, dass der Grundpreis in einer gewissen Nähe zum Gesamtpreis ausgewiesen wird, sodass beide Preise am Blickfang teilnehmen. Wie nah bzw. wie weit entfernt dies genau erfolgen darf, hängt vom Einzelfall ab und muss zukünftig von den Gerichten konkretisiert werden.

 

Praxistipp: Unternehmer sollten zudem unbedingt beachten, dass, wenn der Gesamtpreis in der Werbung genannt wird, grundsätzlich immer auch der Grundpreis anzugeben ist.

Für Cross-Selling-Angebote, Werbeanzeigen (print/ digital), Trefferlisten in Suchmaschinen etc. heißt das, dass auch hier weiterhin der Grundpreis anzugeben ist, wenn in dem jeweiligen Angebot bzw. der Werbung auch der Gesamtpreis des Produktes aufgeführt wird.

 

Gerne prüfe ich Onlineshops, Werbekampagnen, Verkaufsprospekte & Co. auf die Einhaltung der Vorgaben nach der PAngV sowie der weiteren einschlägigen rechtlichen Bestimmungen. Bei Interesse können sich Unternehmen, Start Up´s, Onlinehändler oder Solo-Selbstständige gerne Kontakt aufnehmen und sich ein Angebot einholen.

 

Weitere Artikel zu dem Thema: Preise und Werbung

 

  1. Der Preis ist heiß: Die Werbung nach der Preisangabenverordnung!
  2. Abmahnung wegen Verstoß gegen die PAngV – Wo muss der Grundpreis stehen?

 

In meinem Podcast „Illegal – Unternehmerfragen auf den Punkt“ habe ich diese Problematik in Folge 6 besprochen. Reinhören lohnt sich. Zum Podcast hier klicken.

 

Anna Rehfeldt, LL.M.

Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte