Bedenkenanzeige (nur) an den Bauleiter?

Bei Bedenkenanzeigen auf dem Bau ist der (zutreffende) Rat an jeden Auftragnehmer: Die Bedenkenanzeige sollte stets an den Auftraggeber und in Kopie an den Architekten und/ oder den Bauleiter geschickt werden. Das ist und bleibt auch nach wie vor richtig und wichtig. Steht der Bauleiter aber in einem Beschäftigungsverhältnis mit dem Auftraggeber, kann es auch möglich sein, die Bedenkenanzeige in diesen Fällen nur an den Bauleiter zu schicken, ohne dass der Auftraggeber die Bedenkenanzeige im Nachgang deswegen zurückweisen kann.

 

von Anna Rehfeldt, LL.M.

Rechtanwältin und externe Datenschutzbeauftragte


Hintergrund

 

Bedenkenanzeigen sind in der Praxis aus unterschiedlichsten Gründen möglich und nötig, will man als Auftragnehmer die eigene Haftung ausschließen. Neben den formalen und den inhaltlichen Anforderungen, gibt es in der Praxis aber auch immer wieder Streit über den richtigen Adressaten einer Bedenkenanzeige. Muss es stets unmittelbar der Auftraggeber beziehungsweise der Bauherr sein oder reicht es aus, wenn der Auftragnehmer die Bedenkenanzeige nur dem Architekten oder dem Bauleiter aushändigt?

 

Die Antwort: Es kommt drauf an!

 

Die Bedenkenanzeige ist grundsätzlich unmittelbar dem Auftraggeber als direkten Vertragspartner nachweislich zu übermitteln, idealerweise in Schriftform.

 

Ausnahme: Bedenkenanzeige nur an den Bauleiter

 

Von diesem Grundsatz kann es aber auch Ausnahmen geben. Namentlich kann es auch im Einzelfall ausreichen, dass die Bedenkenanzeige nur dem Bauleiter übermittelt wird und nicht auch noch dem Auftraggeber. Das hatte das Oberlandesgericht Köln in seinem Beschluss vom 05.10.2021 (Az. 16 U 55/21) ebenfalls bestätigt.

 

Was ist passiert?

 

Ein Bauträger ließ drei Häuser mit je fünf Geschossen errichten. Mit der Planung der Treppenhäuser beauftragte der Bauträger einen Architekten und mit der Verlegung von Natursteinplatten in den Treppenhäusern wurde der Auftragnehmer beauftragt, unter Einbeziehung der VOB/B.

 

Der Bauträger leitete im Verlauf ein selbstständiges Beweisverfahren ein, bei dem ein Sachverständiger feststellte, dass die Auftrittsbreite der Treppenstufen zu gering bemessen waren und das dies bereits fehlerhaft in der Planung war. In Folge dessen ging der Sachverständige in diesem Zusammenhang von Planungs-, Ausführungs- und von Bauleitungsfehlern aus.

 

Die Kosten für die Mangelbeseitigung in Höhe von ca. 90.000 Euro forderte der Bauträger vom Auftragnehmer in Form eines Kostenvorschusses. Der Auftragnehmer wies die Forderung zurück, da er (der Auftragnehmer) den Bauleiter des Bauträgers mündlich die Bedenken hinsichtlich der Auftrittsbreite angezeigt habe und der Bauleiter den Auftragnehmer daraufhin gleichwohl angewiesen habe, die Verlegung der Natursteinplatten wie geplant auszuführen. Der Bauträger bestreitet die Bedenkenanzeige des Auftragnehmers.

 

Die Entscheidung

 

Das Oberlandesgericht Köln (Az. 16 U 55/21) hat entschieden, dass dem Bauträger KEIN Anspruch auf einen Kostenvorschuss aus §§ 633, 634 Nr. 2, 637 BGB in Verbindung mit § 13 VOB/B zusteht.

 

Der Auftragnehmer habe ausreichend darlegen und beweisen können, dass er dem bei dem Bauträger fest angestellten Bauleiter mündlich seine Bedenken in Bezug auf die zu gering bemessene Auftrittsbreite angezeigt habe und dass der Bauleiter die Ausführung trotz dieser Bedenken gleichwohl ausdrücklich angeordnet habe.

 

Der Auftragnehmer musste sich vorliegend auch nicht noch zusätzlich und unmittelbar an den Bauträger wenden. Denn, so das Gericht:

 

„Der Grundsatz, dass dann, wenn der Bauleiter sich den vorgetragenen Bedenken des Werkunternehmers verschließt, der Bauherr selbst informiert werden muss, betrifft die Fälle, in denen der Bauleiter außerhalb der Sphäre des Bauherrn steht, insbesondere weil er mit dem Bauherrn durch einen Werkvertrag verbunden ist. Steht der Bauleiter in einem Arbeitsverhältnis mit dem Bauherrn, so gelangt der Bedenkenhinweis unmittelbar in die Sphäre des Bauherrn. Die den Hinweis missachtende Anweisung ist dann ebenfalls der Sphäre des Bauherrn zuzurechnen.“

 

Das heißt, da der Bauleiter als fest angestellter Mitarbeiter innerhalb der (betriebsinternen) Sphäre des Bauträgers stand, brauchte der Auftragnehmer den Bauträger nicht noch zusätzlich über die Bedenken informieren, weil der Bauträger sich das Verhalten des bei ihm angestellten Bauleiters zurechnen lassen muss.

 

Da der Bedenkenhinweis außerdem auch eindeutig war, bedurfte es keiner weiteren Ausführungen zu der Mangelhaftigkeit, um den Auftragnehmer von seiner Haftung zu befreien.

 

Fazit

 

Im vorliegenden Fall stand der Bauleiter als fest angestellter Mitarbeiter in einem besonderen Näheverhältnis zum Bauträger, sodass ein zusätzlicher Bedenkenhinweis an den Bauträger hier ausnahmsweise entbehrlich war.

 

Das Oberlandesgericht begründet den fehlenden Anspruch des Bauträgers mit Hilfe der „Sphärentheorie“. Rechtlich einschlägig(er) wären nach hiesiger Auffassung aber die Stellvertretungsregelungen gemäß den §§ 164 ff. BGB. Demnach wäre eine Zurechnung nach den Regelungen eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht zu prüfen gewesen, sofern der angestellte Bauleiter tatsächlich keine Vollmacht für die vorgenommenen Handlungen (= Entgegennahme der Bedenkenanzeige + Anordnung der weiteren Ausführung der Arbeiten, trotz Bedenken) hatte.

 

Egal wie, Auftragnehmer sollten in der Praxis hinsichtlich der Bedenkenanzeigen zum einen aus Beweisgründen die Schrift- bzw. die Textform wählen und zum anderen sollten sich Auftragnehmer im Zweifel dennoch zusätzlich direkt an den Auftraggeber wenden, um etwaige Auseinandersetzungen über den Zugang oder die Zurechnung von Bedenkenanzeigen zu vermeiden.

 

 

Anna Rehfeldt, LL.M.

Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte


Bei Fragen zum Thema Baurecht und Bedenkenanzeigen stehe ich gerne zur Verfügung

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