Werden Markenrechte verletzt, wird gegen das Urheberrecht verstoßen oder werden wettbewerbsrechtliche Bestimmungen missachtet, sind Abmahnungen nach wie vor
ein probates Mittel, um die Verstöße schnell und effektiv unterbinden zu können. Das setzt jedoch voraus, dass die Abmahnung auch berechtigt ist. Insbesondere im Wettbewerbsrecht kommt im Fall
einer Abmahnung in der Praxis jedoch häufig der Einwand, dass diese rechtsmissbräuchlich und nur Schikane des Wettbewerbers sei. Wann aber ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich?
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Hintergrund
Im Wettbewerbsrecht sind Abmahnungen nach § 12 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) „zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs (..) vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens“ vorgesehen. Durch die Abmahnung soll ein Verstoß schnell und vor allem ohne Inanspruchnahme eines Gerichts effektiv unterbunden werden. Dies erfolgt regelmäßig dadurch, dass der Abmahnung zugleich auch eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beigefügt wird.
Die Kosten einer Abmahnung können vom Abgemahnten erstattet verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Wann aber ist eine Abmahnung berechtigt bzw. rechtsmissbräuchlich? Wie sooft kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Allerdings gibt es eine Reihe von Indizien, die (widerleglich) vermuten lassen, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich erfolgt ist. Folgende (nicht abschließende) Indizien können einen Rechtsmissbrauch der Abmahnung nahe legen:
1. doppelte/ mehrfache Abmahnungen
Wird ein und derselbe Verstoß doppelt/ mehrfach abgemahnt, obwohl die Verstöße auch in einer einzigen Abmahnung einheitlich hätten geltend gemacht werden können, ist dies grundsätzlich rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG Düsseldorf, Az. I 15 U 34/16).
2. massenhafte Abmahnungen
Werden Abmahnungen in größerem Umfang ausgesprochen, ist dies für sich genommen noch kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch. Vielmehr müssen noch weitere Umstände
hinzukommen, um einen Rechtsmissbrauch der (massenhaften) Abmahnungen annehmen zu können. Das können u.a. sein:
-
Die massenhaften Abmahnungen werden zeitlich unmittelbar nach der Gründung des Wettbewerbers versandt;
-
die massenhaften Abmahnungen stellen ein systematisches Massengeschäft des Abmahnenden dar oder
- die massenhaften Abmahnungen beziehen sich stets auf einen bestimmten Verstoß. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn dieser Verstoß im Internet leicht auffindbar ist.
In diese Kategorie passen auch solche Fallkonstellationen, bei denen die Abmahnungen wirtschaftlich in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehen oder aber wenn Abmahnungen ins Blaue hinein erfolgen.
3. wettbewerbsrechtliche Behinderungsabsicht
Als Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung kann auch eine Behinderungsabsicht herhalten. Hiermit ist gemeint, dass die Abmahnung nur zu dem Zweck ausgesprochen wird, um den Wettbewerber im Wettbewerb zu behindern.
So kann beispielsweise von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen werden, wenn zwischen dem Abmahnenden und dem Abgemahnten kein Wettbewerbsverhältnis besteht bzw. wenn vom Abmahnenden nur zum Schein Waren angeboten werden, um ein Wettbewerbsverhältnis zu fingieren.
Weitere Beispiele für eine Behinderungsabsicht können sein, dass der in der Abmahnung gerügte Verstoß unbeachtlich ist (z.B. unvollständige Klausel in AGB, die nur geringe Relevanz haben) oder wenn Wettbewerbsverstöße des Abmahnenden durch einen Testkauf provoziert werden.
Achtung: Fehler in den Formularen zum gesetzlichen Widerrufsrecht werden regelmäßig nicht als unbeachtlich angesehen, sodass Verstöße mit einer Abmahnung geahndet werden können.
4. überhöhte Streitwerte
Als weiteres Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung kann die Annahme eines überhöhten Streitwertes sein. Fixe Grenzen existieren im Wettbewerbsrecht insoweit jedoch nicht. Gleichwohl gibt es Richtwerte aus der bisherigen Rechtsprechung, die in jedem Einzelfall überprüft werden müssen.
5. Missbrauch der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung
Wird der Abmahnung eine vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beigefügt, können auch darin enthaltene Missbräuche auf die Abmahnung ausstrahlen. Wird in der vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zum Beispiel der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs gefordert, kann dies einen Rechtsmissbrauch begründen.
Achtung: Der BGH sieht den Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs allein noch nicht als Indiz für einen Rechtsmissbrauch an, da der Verletze ein berechtigtes Interesse daran habe, alle ihn unmittelbar betreffenden Verstöße zu verfolge, BGH Az. I ZR 42/10.
Die Abmahnung kann auch dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn in der vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung überhöhte Anwaltsgebühren gefordert werden oder wenn die Vertragsstrafe ohne Verschulden des Abgemahnten verwirkt sein soll.
Eine weitere Fallkonstellation für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung kann die Ausübung von Druck sein, etwa wenn ein Hinweis auf die hohen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einer (sehr) kurzen Fristsetzung verbunden wird. Oder aber wenn die vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung so umfänglich vorformuliert ist, dass hierunter auch gänzlich andere, als in der Abmahnung gerügte Verstöße fallen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn lediglich der Gesetzestext wiederholt wird.
Fazit
Abmahnungen bleiben nach wie vor eine heikle Angelegenheit. Einerseits stellen Abmahnungen ein einfaches und effektive Mittel dar, um Verstöße zu unterbinden und zu ahnden. Andererseits zeigt diese nicht abschließende Übersicht aber auch auf, dass nicht jede Abmahnung gerechtfertigt ist. In der Praxis sollten Abmahnungen jedoch unabhängig von der Frage, rechtsmissbräuchlich ja der nein, stets beachtet werden. Selbst wenn ein Fall einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung vorliegen sollte, sollte man dies prüfen (lassen) und entsprechend reagieren.
Anna Rehfeldt, LL.M.
Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte (externer Link)