Wann eine Leistung mangelhaft ist und wann nicht, bestimmt sich maßgeblich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Es werden jedoch nicht immer konkrete
Reglungen aufgenommen, sodass die Frage nach der Mangelfreiheit dann anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist! Besonderheiten können sich hier bei der Einbeziehung der VOB/ B
ergeben.
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Hintergrund
Der Mangelbegriff ist in der VOB/B in § 13 definiert. Danach ist eine Leistung mangelhaft, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder gegen die anerkannten Regeln der Technik verstößt. Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, ist die Leistung mangelhaft, wenn sie sich für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet. Fehlt auch eine solche Verwendungsvereinbarung ist die Leistung schlussendlich dann mangelhaft, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht der Leistung entspricht die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Auftraggeber erwarten darf.
Mit Ausnahme des Verstoßes gegen die anerkannten Regeln der Technik, ist der Mangelbegriff mit dem gemäß § 633 BGB identisch.
Vereinbarte Beschaffenheit
Eine #Beschaffenheitsvereinbarung kann ausdrücklich im Vertrag erfolgen. Sie kann aber auch konkludent bzw. durch schlüssiges Verhalten Grundlage des Vertrages werden. Weicht die tatsächliche Leistung von dieser Vereinbarung (egal ob ausdrücklich im #Leistungsverzeichnis/ Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis, #Baupläne etc. oder konkludent) ab, ist das Werk mangelhaft.
Folge: Dem Auftraggeber stehen die Gewährleistungsrecht zu.
Um diese Abweichung und somit einen Mangel feststellen zu können, muss ein „Soll-Ist-Vergleich“ erfolgen. Dass heißt ein Vergleich zwischen Vereinbarung und tatsächlicher Arbeit. Gemäß § 13 Nr. 2 VOB/B kann als Besonderheit hinzukommen, dass die Eigenschaft einer Probe, als vereinbarte Beschaffenheit gilt.
ACHTUNG: Ein Mangel liegt bereits dann vor, wenn die tatsächliche Leistung von der vereinbarten abweicht. Es spielt hierbei keine Rolle, ob die tatsächliche Leistung gleichwohl den #anerkannten Regeln der Technik entspricht. Allein das Abweichen von der Vereinbarung begründet die Mangelhaftigkeit! Und dies auch verschuldensunabhängig!!!
Praxistipp: Die Leistungsbeschreibung sollte exakt eingehalten werden und Bedenken hiergegen durch den Auftragnehmer vor Arbeitsbeginn (schriftlich) dem Auftraggeber angezeigt werden!
Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik
Nach der VOB/B liegt ein Mangel auch vor, wenn das Werk nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Eine anerkannte Regel der Technik liegt vor, wenn sie in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannt ist und feststeht, sowie durchweg bekannt ist, dass sie technisch geeignet, angemessen und notwendig ist.
Diese (abstrakte) Definition zeigt, dass es keiner schriftliche Vereinbarung dieser anerkannten Regeln bedarf. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall besonders festzustellen, ob sich die jeweilige Regel als richtig in der Baupraxis bestätigt hat oder nicht.
ACHTUNG: DIN-Normen müssen nicht zwangsläufig auch den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Dass heißt, auch bei Einhaltung der
DIN, kann ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vorliegen und das Werk mangelhaft sein. Umgekehrt heißt das aber auch, dass eine Missachtung der DIN nicht automatisch auch
die Mangelhaftigkeit begründet.
Gemäß § 4 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B ergibt sich, dass die anerkannten Regeln der Technik für die gesamte Dauer der Bauzeit einzuhalten sind. Für den Mangelbegriff ist aber gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B der Zeitpunkt der #Abnahme entscheidend.
Folge: Ändern sich während der Bauzeit die anerkannten Regeln der Technik, muss das Werk den geltenden Regel zum Abnahmezeitpunkt entsprechen.
Beispiel aus der Rechtsprechung
Eine Entscheidung des OLG Hamm (Az. 12 U 155/03) zeigt das Zusammenwirken der unterschiedlichen Regelungen und den Vorrang der vertraglichen Vereinbarung sehr deutlich. Nach dieser Entscheidung ist ein Werk mangelhaft, wenn das im Leistungsverzeichnis beschriebene Gefälle eines Daches von 3-7 Grad nicht eingehalten wurde. In dem entschiedenen Fall wiesen die Dächer nur eine Neigung deutlich unter 3 Grad auf. Das OLG nahm einen Mangel an, weil die tatsächliche Bauausführung den anerkannten Regeln der Technik nicht entsprach. Auch der Umstand, dass die geringere Neigung wirtschaftlich und technisch sogar vorteilhafter waren, änderte nichts an der Mangelhaftigkeit. Der Mangel ist nicht rein objektiv zu bestimmen, sondern anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls nach dem subjektiven Willen der Vertragsparteien.
Fazit
Die Gewährleistungsrechte des Auftraggebers bestimmen sich maßgeblich danach, ob das Werk mangelhaft ist oder nicht. Dies gilt sowohl nach dem BGB als auch bei der Einbeziehung der VOB/B. Aufgrund des Vorrangs der vertraglichen Vereinbarungen sollten alle Beteiligten darauf achten (1) eindeutige Formulierungen im Vertrag, Leistungsverzeichnis und sonstigen Absprachen aufzunehmen und (2) diese dann auch exakt einzuhalten. Bei Bedenken sollte der Auftragnehmer vor Beginn seiner Arbeit den Auftraggeber (schriftlich) darauf hinweisen!
Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.