Praktikum oder Arbeitsverhältnis? Der kleine aber feine Unterschied!

Die Abgrenzung zwischen Praktikanten und „normalen“ Arbeitsverhältnissen ist nicht nur im Hinblick auf das seit 01.01.2015 geltende Mindestlohngesetz bedeutsam. Auch für den Vergütungsanspruch, die Unfallversicherung, die Renten- oder Krankenversicherung, ist die exakte Einordnung ausschlaggebend.

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Hintergrund

In den letzten Jahren wurde immer wieder von der „Generation Praktikum“ gesprochen. Hierbei handelt es sich nicht um Praktika von Schülern oder Studenten. Es geht vielmehr um vollständig ausgebildete und qualifizierte Leute. Diese werden nicht im Rahmen einer Festanstellung beschäftigt, sondern sie werden (formal) als Praktikant beschäftigt. Diese Angebote werden in der Hoffnung angenommen, im Verlauf durch überzeugende Arbeit eine Festanstellung zu erhalten. Bis auf die Bezeichnung „Praktikum“ unterscheiden sich die Arbeiten aber nur selten von denen „normaler“ Angestellten.

 

Was ist passiert?

In dem vom BAG (Az. 9 AZR 740/ 13) zu entscheidenden Fall, hatte ein Praktikant auf Zahlung einer Vergütung geklagt. Der Kläger musste eine Mindestzahl an praktischen Erfahrungen und Leistungen nachweisen, um die offizielle Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ führen zu dürfen. Hierfür wurde er bei dem beklagten Arbeitgeber als Rettungssanitäter im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung angestellt. Diese Beschäftigung wurde auf ein Jahr befristet und als „Jahrespraktikum als Rettungsassistent im Anerkennungsjahr“ bezeichnet. Der Kläger führte während der Beschäftigung tatsächlich vollwertige Rettungs- und Krankenaufgaben aus. Eine weitere Ausbildung oder Erweiterung des Tätigkeitsbereichs erfolgt nicht.

Nach der vertraglichen Vereinbarung, sollte der Kläger 20 Stunden pro Woche arbeiten und hierfür eine monatliche Vergütung in Höhe von 400 €/ brutto erhalten. Tatsächlich arbeitete der Kläger durchschnittlich über 168 Stunden pro Monat. In Anbetracht dessen, hielt der Kläger die Vergütung von 400 € für sittenwidrig und verlangte eine entsprechende Entlohnung. Vollzeitangestellte erhielten bei dem Beklagten mind. 1.400,00 €/ brutto

 

Die Entscheidung

Das BAG gab dem Kläger weitestgehend Recht. Bei den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten handelte es sich nicht um „reine“ Praktikantentätigkeiten. Vielmehr wurde der Kläger als „echter“ Arbeitnehmer tätig. Das BAG betonte ausdrücklich, dass es für die Einordnung nicht auf die Bezeichnung im Vertrag ankommt. Maßgeblich sei allein die tatsächliche Durchführung. Auch sei ein Ausschluss der „Arbeitnehmereigenschaft“ im Vertrag nicht zulässig.

Ein „echtes“ Arbeitsverhältnis liege immer dann vor, wenn aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages, die Pflicht zur Durchführung von Diensten in weisungsabhängiger und fremdbestimmter Art und Weise besteht.

Bei einem Praktikum hingegen steht nicht die Arbeitsleistung als solche, sondern der Erwerb von praktischen Kenntnissen und Erfahrungen im Vordergrund.

Unter Beachtung dieser Kriterien war im vorliegenden Fall nicht mehr von einem Praktikum auszugehen. Der Kläger sei somit als Arbeitnehmer einzustufen und konnte eine entsprechende Vergütung eines Vollzeitangestellten verlangen.

 

Fazit

Seit dem 01.01.2015 dürfte sich die  Frage nach der (Mindest-) Vergütung nicht mehr in diesem Umfang stellen. Denn nach dem MiLoG haben Praktikanten nunmehr grundsätzlich einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Ausnahmen für Praktikanten bestehen allerdings in folgenden Konstellationen:

  1. Pflichtpraktikum auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie → auch länger als 3 Monate
  2. Orientierungspraktikum bis zu drei Monaten für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums oder
  3. Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat

 

Praxistipp 1: Im Vertrag zu einem Orientierungspraktikum sollte zwingend aufgenommen werden, dass es der Vorbereitung eines Studiums oder Ausbildung dient!
Bei berufsbegleitenden Praktika sollte der Praktikant (schriftlich) versichern, dass zuvor nicht bereits ein berufsbegleitendes Praktikumsverhältnis bestand. Andere Praktikumsformen sind hingegen unschädlich!!!
Freiwillige Praktika sind bis zu drei Monaten von der Mindestlohnpflicht ausgenommen. Achtung: Umstritten ist, ob bei Überschreitung der Frist der Mindestlohn von Anfang an zu zahlen ist oder erst ab dem 4. Monat.


Praxistipp 2: Bei einer Kombination von Pflichtpraktikum und freiwillige Praktika können Praktikanten wesentlich länger als 3 Monate mindestlohnfrei beschäftigt werden.

 

Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!