Kann ein Unternehmer die Mängelbeseitigung bei einem Kauf- oder Werkvertrag verweigern, wenn der Kunde die
Rechnung nicht bezahlt? Und was gilt für den umgekehrten Fall: Kann der Kunde die Bezahlung aus einem anderen Vertrag mit dem Auftragnehmer verweigern, bis der Auftragnehmer etwaige Mängel
beseitigt hat?
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Hintergrund
Bei einem Werkvertrag besteht die Hauptpflicht des Auftragnehmers in der Herstellung eines mangelfreien Werks. Bei Mängeln kann
der Auftraggeber den doppelten Betrag der Mängelbeseitigungskosten zurückzubehalten. Für die übrige, mangelfreien Leistung
kann der Auftragnehmer seine Vergütung vom Auftraggeber verlangen.
Im Kaufrecht ist die Übergabe und Eigentumsübertragung einer mangelfreien Sache Vertragspflicht. Anders als im Werkvertragsrecht
gibt es hier jedoch kein Recht auf Einbehalt von Mängelbeseitigungskosten!
Was gilt jetzt für den Fall, dass der Kunde die fällige Werkforderung für den mangelfreien Teil der Leistung nicht bezahlt? Kann der Auftragnehmer die Nacherfüllung solange
verweigern bis der Kunde zahlt?
Grundsätzlich: Nein! Der Auftragnehmer darf die Mängelbeseitigung nicht verweigern, weil der Kunde die Vergütung
nicht zahlt. Er kann lediglich Sicherheitsleistung gemäß
§ 648a BGB verlangen und, falls der Kunde keine Sicherheit leistet, bis zur Sicherheitsleistung die Mängelbeseitigung
verweigern.
Unter Umständen kann der Auftragnehmer den Vertrag auch kündigen.
Und umgekehrt? Kann der Kunde die Bezahlung aus einem anderen Vertrag mit dem Auftragnehmer verweigern, bis der Auftragnehmer etwaige Mängel beseitigt hat?
Grundsätzlich gilt auch hier: Nein! (vgl. OLG Düsseldorf, Az. 22 U 99/04)
Was ist passiert?
Der Auftraggeber (Bauträger) hatte den Auftragnehmer für unterschiedliche Vorhaben mit diversen Werkleistungen beauftragt.
Der Auftragnehmer verlangt nach Beendigung seiner Arbeiten die Vergütung für das Vorhaben A. Diese Bezahlung verweigerte der Auftraggeber mit der Begründung, dass ihm aus dem Vorhaben
B noch Mängel- und Gewährleistungsrechte zustehen. Erst wenn der Auftragnehmer diese erbracht hat, bezahlt er die Vergütung für das Vorhaben A.
Die Entscheidung
Das OLG Düsseldorf (Az. 22 U 99/04) gab dem Auftragnehmer Recht und verurteilte den Auftraggeber zur Zahlung der Vergütung für das Vorhaben A. Der Auftraggeber könne die Vergütung nicht verweigern. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe ihm nicht zu. Insbesondere auch nicht aus etwaigen Mängelansprüchen aus dem Vorhaben B. Beide Verträge sind nicht derart miteinander verbunden, dass ihnen ein natürlicher und innerlicher Zusammenhang zugesprochen werden könne, der für ein Zurückbehaltungsrecht aber erforderlich wäre. Daran ändert auch die Mehrfachbeauftragung nichts. Es handelte sich hier um verschiedene und jeweils gesondert zu bewertende Verträge, die unabhängig voneinander existieren.
Fazit
Bei Ansprüchen aus verschiedenen Vertragsverhältnissen kann grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden. Dies
gilt für Auftragnehmer und Auftraggeber gleichermaßen. Nur bei wechselseitigen Ansprüche aus dem gleichen Vertrag kommt ein Zurückbehaltungsrecht in Betracht.
Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Vertragspartner Unternehmer oder Verbraucher ist!
ABER: Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht gemäß § 369 HGB stellt eine Besonderheit dar!
Bei Verträgen zwischen Unternehmen (Kaufleuten/ B2B) greift u.U. das sog. kaufmännischen Zurückbehaltungsrechtes.
In diesem Fall kann der Unternehmer wegen fälliger Forderungen (auch aus anderen Verträgen) gegenüber einem anderen
Unternehmer, ein Zurückbehaltungsrecht an beweglichen Sachen geltend machen, die der Vertragspartner im überlassen hat, bis die fälligen Forderungen bezahlt sind!
Beispiel: Unternehmer A bringt seinen Firmenwagen in die Werkstatt von Unternehmer B. Aus vorherigen
Verträgen (gleich welcher Art) hat B noch offenen und fällige Forderungen gegen A.
B kann gemäß § 369 HGB den Firmenwagen solange zurückbehalten bis A sämtliche Forderungen bezahlt hat. Unter Umständen
kann B den Pkw sogar verwerten lassen, um sich den Erlös auszahlen zu lassen.
Achtung: Dies gilt zwar für Ansprüche auch aus verschiedenen Verträgen. Jedoch nur in Bezug auf
körperliche Gegenstände die mit Wissen und Willen des Vertragspartner in den eigenen Besitz gelangt sind. Bei reinen Leistungsverhältnissen greift die Regelung nicht!
Bei Rückfragen stehe ich
Ihnen gerne zur Verfügung!